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Delta im Dialog mit: Peter Paschek

Peter Paschek, Sozial-und Wirtschaftswissenschaftler, Autor von ‚Leadership in der digitalen Welt‘, Unternehmensberater, Lehrbeauftragter der TU München und ehemaliger Geschäftsführender Gesellschafter der Delta Management Consultants. Es gibt wenige, die solch einen Einblick in Aspekte effektiver Führung und Leadership-Qualitäten haben wie er. Warum die Corona-Krise keine neue Herausforderung für uns ist und warum Disruption für ihn zum Beraterkauderwelsch gehört, hat er uns in einem ausführlichen Interview verraten.

Das Gespräch mit Peter Paschek führte Stefan Koop.

Delta: Herr Paschek, im September erscheint mit Peter F. Drucker „Erinnerungen an einen konservativ-christlichen Anarchisten“ Ihr neues Buch. Ihr erstes Buch „Leadership in der digitalen Zeit“ wurde 2015 veröffentlicht. 2020 stellt uns alle vor ganz andere Herausforderungen. Wie sieht ein Best Practice für Leadership in der Krise aus?

PP: Zunächst möchte ich festhalten, wie sehr ich mich freue, mit dem Unternehmen ein Gespräch zu führen, das über 20 Jahre meine berufliche Heimat war! Bei der Delta habe ich die beste, schönste und erfolgreichste Zeit meines nunmehr 40-jährigen Beraterdaseins verbracht. Die lange Zeit bei Kienbaum war auch richtig gut, vor allem dank Jochen Kienbaum, der ein hochanständiger Klassetyp ist. Doch die Delta war noch etwas drüber. Vielleicht empfinde ich das auch so, weil ich bei meinem Einstieg dort ein klein wenig gereift war.

Ganz besonders hoch – und das muss ich auch noch loswerden – wertschätze ich die Arbeit der jetzigen Delta Gesellschafter während der letzten Jahre. Ihr seid Eurer unternehmerischen Verantwortung mehr als gerecht geworden und habt konsequent die Langzeitfolgen der Fehler ausgebügelt, die die Partnerschaft im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts im Überschwang des immer größer Werdens gemacht hat. Ein entscheidender Fehler – an dem auch ich beteiligt war – lag damals an unserer mangelnden Sorgfalt bei der Suche nach neuen Mitgesellschaftern mit der Folge, dass beinahe an all unseren Standorten mindestens eine Beraterattrappe ihr Unwesen trieb. Für den Zusammenhalt einer gleichberechtigten geschäftlichen Partnerschaft wie dieser kann das tödlich sein. Hier bewahrheitete sich Mal wieder der Satz, dass intellektuelle und sittliche Bildung nicht auseinander hervorgehen.

Diese Langzeitschäden zu beseitigen, das Unternehmen zu erhalten und wieder auf erfolgreichen Kurs zu bringen ist eine große unternehmerische Leistung.

Jetzt aber zu der Frage: 2020 stellen sich uns gar keine ganz neuen Herausforderungen! Die Herausforderungen, die ich in meinem Buch 2015 beschrieben habe, sind durch die Pandemie nur sichtbarer geworden. Des Weiteren möchte ich festhalten: es gibt keine Best Practice for Leadership in der Krise! Diese Begrifflichkeiten – so in den Raum gestellt – gehören seit Jahren wie out of the box thinking, Unternehmens-DNA und neuerdings Disruption zum aufgeblasenen Kauderwelsch von Beraterdarstellern. Best-Practice-Konzepte verführen dazu, die Mühen des Denkens zu vernachlässigen und die Erkenntnis zu vergessen, dass alles Wissen vorläufig ist. Das Leadership-Geschwätz geht mir, offen gesprochen, schon seit Jahren auf die Nerven. In Davos zum Beispiel werden seit einiger Zeit die Young Global Leaders gekürt. Vielleicht gibt es bald eine Sektion für Old Global Leaders oder Very Old Global Leaders.

Lassen Sie mich etwas weiter ausholen: Während eines meiner Seminare im Bereich Executive Education an der TU München, kam ein Teilnehmer auf mich zu und sagte mir, dass selbst mein Freund und Lehrer Peter Drucker gesagt habe, „You can‘t manage people, you only can lead people.“ Ich versuchte zusammenzufassen, dass dies kein Widerspruch sei. Für Peter Drucker ist Management eine gesellschaftliche Aufgabe, Management ist die zentrale Funktion einer Organisation in der modernen Gesellschaft der Organisationen. In diesem Zusammenhang sagt Drucker in Bezug auf das Wirtschaftsunternehmen: “The Corporation is not only an economic tool but as a social organization a political tool and Management is the generic function of society‘s organizations.“

Leadership gehört zum Aufgabenspektrum des Managers. Es ist sein Tool und nur wenn er dieses Tool dazu benutzt, einen Beitrag für eine funktionierende, lebenswerte Gesellschaft zu leisten, wird er seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht!

Delta: Corona hat uns deutlich gezeigt, dass wir in Sachen Digitalisierung in vielen Branchen noch sehr weit hinterherhinken. Als studierter Soziologe – was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für diese ‚deutsche Vorsicht‘?

PP: Mir fehlen die detaillierten Einblicke, um diese Frage wirklich beantworten zu können. Es sind eher Vermutungen. Ich höre das auch immer wieder, dass wir digital rückständig sind. Doch glaube ich, dass es einer differenzierten Betrachtung bedarf. Sicherlich hinken wir in bestimmenden Bereichen, wie z.B. im gesamten Consumer Business hinterher, doch weiß ich, dass es im Digital Manufacturing ganz anders aussieht. Hier spielen wir eine führende Rolle!

Ich habe das Gefühl, dass in diesem Kontext die Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft zur Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit im Weltmaßstab effektiver werden muss. Bitte aber nur unter dem Leitspruch von Peter Drucker: The Government has to govern, not to manage! Schauen Sie sich die Entstehungsgeschichte des Silicon Valley an, das ist beispielhaft.

Delta: Was ist unser Learning aus dieser Zeit bzw. werden wir unsere Art zu arbeiten wirklich langfristig ändern?

PP: Wir werden zukünftig sicherlich unsere digitalen Möglichkeiten bei der Art zu arbeiten effizienter nutzen. Das Home Office z.B. wird sich als Ergänzung durchsetzen. In diesem Zusammenhang stehen wir aber vor neuen, alten Herausforderungen, die es jetzt endlich anzugehen gilt. An erster Stelle steht hier die Aufgabe einer Neuordnung der Organisation der Haushaltsführung. Hier muss die Frau entlastet werden. Stellen Sie sich eine vierköpfige Familie vor: Beide Partner arbeiten regelmäßig im Home Office. Tochter und Sohn sitzen oft zu Hause beim Home Schooling. Bei dieser nicht seltenen Konstellation stellt sich nicht nur die Raumfrage – und die ist schon gewichtig genug.

Delta: Unsere Erfahrung zeigt, dass Klient*innen derzeit weniger große Transformationsprozesse in die Wege leiten, sich aber mit dem Thema Leadership mehr denn je auseinandersetzen. Fehlverhalten im Management – siehe Wirecard oder Tönnies – wird in der Öffentlichkeit bestraft wie selten zuvor. Können Personalberater solch ein Fehlverhalten vorab erkennen?

PP: Wenn ich das mit den Klient*innen lese, werde ich schmunzelnd nachdenklich. Ich glaube nicht, dass ein soziales Problem, das hier ohne Zweifel zum Ausdruck kommt, dadurch gelöst werden kann, indem verordnet wird, wie man darüber zu sprechen hat. Obwohl ich weiß, dass Sprache so verletzend sein kann wie eine Waffe.

Ich möchte mich auch nicht auf die Position von Tallayrand zurückziehen, der gesagt hat: „Dem Menschen sei die Sprache gegeben, damit er seine Gedanken verbergen kann.“ Jedenfalls stolpere ich nicht wirklich wohlwollend über den * !

Zur Frage: Skandale begleiten unsere Kulturgeschichte. Auch hier sage ich, das Fehlverhalten von Managern ist nicht häufiger geworden, sondern sichtbarer!

Darüber hinaus sollte man Tönnies und Wirecard nicht in einen Topf werfen. Letzteres sieht nach organisierter Kriminalität aus, während es im Fall Tönnies um Lücken im Regelwerk der Branche geht, über die schon lange diskutiert werden. Warum sollte Herr Tönnies im Sinne von „Hannemann geh‘ Du voran“ seine Wettbewerbsfähigkeit einschränken, während seine Konkurrenten sich die Hände reiben und weitermachen wie bisher? Hier gilt: The government has to govern, d.h. die entsprechende Ordnung gestalten. Wie sagt mein lieber Freund und Mitstreiter im Geiste, der Philosoph und Ökonom Karl Homann? „Die unsichtbare Hand des Marktes bedarf der sichtbaren Hand des Rechts“!

Sie fragen, inwieweit Personalberater Fehlverhalten vorab erkennen können. Schwierige Frage! Wovon ich aber überzeugt bin ist, dass sich mit entsprechender Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit bei der Betrachtung, Beurteilung und Wertung des ´Gesamtkunstwerk Kandidat‘ manche Fehlbesetzung vermeiden läßt.

Delta: In einem Blogbeitrag der Bertelsmann Stiftung schreiben Sie, dass es in Deutschland in Unternehmen und Unternehmerfamilien Tradition ist, sich über ihren ökonomischen Auftrag hinaus für das Gemeinwohl zu engagieren. Wir finden, diese gesellschaftliche Verantwortung ist, ganz subjektiv empfunden, derzeit nicht wirklich spürbar. Wie sehen Sie das?

PP: Hier ging es mir um das Wirtschaftsunternehmen als politische Institution und die politische Verantwortung des Wirtschaftsmanagers als ein Aspekt seiner gesellschaftlichen Verantwortung. Und hier setzt meine Kritik ein. Nicht am Nachhaltigkeitsmanagement unserer Unternehmen in Bezug auf die natürliche Umwelt, dort hat es in den letzten Jahrzehnten sehr viel Positives gegeben.

Was ich vom Wirtschaftsmanager fordere, ist ein signifikanter Beitrag zur verantwortlichen Meinungsbildung bei der Gestaltung der politischen Kultur und nicht herablassend der Politik alles zumuten und nichts zutrauen. Karl Homann spricht zurecht von der Diskursverantwortung des Managers. Es geht nicht um große Würfe. Diskursverantwortung beginnt im Unternehmen, in den informellen Gesprächen mit Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten. „The Manager commits himself, when he opens his mouth“ (Peter Drucker). Der Manager wird gehört, wenn er mit seinen Worten die demokratische Kultur fördert oder herabwürdigt. Auf welchem Niveau diese Auseinandersetzung des Management mit der Politik geschieht verdeutlicht eine repräsentative Studie des Instituts für Demokratieforschung der Universität Göttingen aus dem Jahr 2015. Aber Diskursverantwortung bedarf Bildung und das Thema Managementbildung ist so umfassend, dass wir dieses bei einem weiteren Gespräch gesondert behandeln sollten.

Delta: Stichwort Digitalisierung: Es gibt immer mehr Apps und Software-Modelle, die sich auf die Fahnen schreiben, die besten Bewerber und Talente zu finden. Stirbt der Beruf des Personalberaters irgendwann aus?

PP: Der Beruf des Personalberaters stirbt mit Sicherheit nicht aus! Der Mensch ist so unergründlich, dass für den Berater noch sehr viel Arbeit an dem bleibt, was nicht automatisiert oder digitalisiert werden kann. Die Arbeit der Unternehmensberater insgesamt wird immer weniger ‚Doing something with numbers‘ sein. Vielmehr kommt es darauf an, Gesamtzusammenhänge zielgerichtet zu erfassen, in deren Mittelpunkt der Mensch – Karl Löwith hätte gesagt, in seiner Eigenschaft als Mitmensch – steht.

Dies zieht natürlich Konsequenzen für die Beraterausbildung nach sich.

Ein anderer Aspekt im Wandel der Anforderungen gleichermaßen an die Management- und Managementberaterbildung ist der, dass heute und in Zukunft keine Management- oder Beraterfunktion effektiv ausgeführt werden kann, wenn die Betreffenden nicht über grundlegende Kenntnisse in den Schlüsseltechnologien verfügen. Vorbildlich möchte ich hier die Technische Universität München nennen, mit ihrem Studiengang Management and Technology, an der ich seit Jahren mit großer Freude einen Lehrauftrag habe .

Doch wie gesagt, das Thema Managementbildung liefert Stoff für mindestens ein weiteres Gespräch. Doch vielleicht an dieser Stelle nur eins zum Thema Bildung: ein Zitat des am Weimarer Hof für Wirtschaftsfragen zuständigen Ministers Johann Wolfgang Goethe: „Ich wüßte nicht, wessen Geist ausgebreiteter wäre, ausgebreiteter sein müsste, als der Geist eines echten Kaufmanns“.

Delta: Sie waren mehrere Jahrzehnte ein erfolgreicher Personalberater. Wie haben Sie sich auf „die Zeit danach“ vorbereitet?

PP: Vorab: ich habe mich immer, wie mein Mentor Paul Gert von Beckerath mich nannte, als Unternehmensberater in Personalangelegenheiten verstanden und dementsprechend gearbeitet. Unpräzise Begriffe können auf allen Ebenen viel Unheil anrichten.

Jetzt aber zur Beantwortung Ihrer Frage: Nachdem ich meine wirklich geliebte Ruhr Universität Bochum verlassen hatte – leider ohne meine Dissertation abzuschließen – habe ich die Verbindung zu „meinen Fächern“, die da sind Soziologie, Philosophie und die Wirtschaftswissenschaft, also drei zentrale Kulturwissenschaften, nie aufgegeben. Das lag nicht zuletzt daran, dass ich auf meinem Weg zwei wunderbare Mentoren hatte. Der erste hieß Paul Gert von Beckerath, der meine Diplomarbeit und Dissertation betreute, aber hauptberuflich Direktor Personal- und Sozialwesen der Bayer AG war. Durch ihn lernte ich wiederum Peter F. Drucker kennen, mit dem mich viele Jahre eine tiefe Freundschaft verband. Mit Beiden habe ich mich von Beginn meines Berufsweges an regelmäßig ausgetauscht und gemeinsam haben wir einiges publiziert. 2007 begann dann mein Lehrauftrag an der Universität St. Gallen und seit 2013 bin ich an der TU München. München ist mittlerweile zum Mittelpunkt meines Arbeitslebens geworden, denn seit einiger Zeit darf ich im Expertenkreis des Roman Herzog Instituts mitmischen, was mir ebenfalls größte Freude bereitet. Wie Sie sehen, war ich auf all das, für meine Zeit nach der Beratung ganz gut vorbereitet.

Delta: Was raten Sie Top-Managern, wenn man über das unvermeidliche Dienstzeitende nachdenkt?

PP: Ich rate dazu, sich einen Satz von Peter Drucker rechtzeitig in Erinnerung zu rufen: Wenn man nur seinen Beruf hat, hat man gar nichts! Orandum est ut sit mens sana in corpore sano, heißt es. Wir wissen aber, dass weder Beten noch Sport allein zu einem gesunden Geist führt.

Delta: Brauchen wir „Retirement Consultants“, um denen da oben in ihrer Einsamkeit an der Spitze in den dritten Lebensabschnitt zu helfen?

P: Wir brauchen sicherlich keine Retirement Consultants. Das heißt nicht, dass man das Thema Retirement in den Gesprächen mit seinen Klienten ausklammern sollte. Mir fällt in diesem Zusammenhang ein Satz von Immanuel Kant aus seiner Schrift, Was ist Aufklärung ein: „Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt“ … nein, nicht noch einen Retirement Consultant! Peter Drucker hat einmal gesagt: „Der Berater ist der Ochse, der daneben steht und dem Bullen erklärt, wie er die Kuh zu besteigen hat“.  Ich denke, für den Abstieg benötigt der Bulle keine Beratung.

Delta: Herr Paschek, vielen Dank!

PP: Ich danke ebenfalls!

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Tags: Delta im Dialog, Leadership